Eine Bank wird flügge

Eine Bank wird flügge

Neues Projekt des Fördervereins Bahnhofsmission verführt zu Begegnungen

 

 

Würzburg. Ein kurzer, scheuer Blick, ein Räuspern, dann eine Bemerkung übers Wetter: „Das wird heute bestimmt noch regnen!“ Was jetzt wohl passiert? Wird der Banknachbar darauf eingehen? Oder genervt abrücken? „Auf der ‚Bank der Begegnung’ gibt es in jedem Fall eine Erwiderung“, meint Anne Walz vom Förderverein der Bahnhofsmission Würzburg. Denn wer sich auf diese Bank setzt, signalisiert: Ich habe Lust, zuzuhören, und Lust zu erzählen.

 

 

In guter Erinnerung ist das Projekt Wanderbank aus dem vergangenen Jahr. Seit Jahresbeginn firmiert nun das Konzept unter dem neuen Namen „Bank der Begegnung“. Damit geht eine Weiterentwicklung des Projektes einher, das bereits 2014 von den Münchner Künstlerinnen Christiane Huber und Sanne Kurz ins Leben gerufen worden war. Bisher hatte Anne Walz auf der Bank Geschichten gesammelt. Um die 150 Geschichten trug sie 2015 zusammen. Nun soll die Bank „flügge“ werden. Die Geschichtensammlerin wird überflüssig. Die Menschen, die sich auf der „Bank der Begegnung“ niederlassen, sollen von sich aus miteinander ins Gespräch kommen. Über das, was sie gerade bedrückt. Was sie ärgert. Oder was sie in den letzten Tagen gefreut hat.

Kooperation mit der Stadt Würzburg für eine wandernde Anlaufstelle

 
In seinem neuen Projekt arbeitet der Förderverein eng mit der Stadt Würzburg zusammen. Zum Auftakt der Kooperation wird denn auch die Wanderbank-Ausstellung, die im Herbst 2015 in der Sparkasse zu sehen war, zwischen dem 27. Juni und dem 8. Juli noch einmal im Rathaus gezeigt. An den drei letzten Ausstellungstagen wird die „Bank der Begegnung“ schließlich auf die Reise geschickt. Drei „Promis“ aus dem Rathaus werden sich als erste Gäste auf ihr niederlassen und auf Gesprächspartner warten.

 

 
Den Auftakt macht Oberbürgermeister Christian Schuchardt, der am 6. Juli von 11.30 bis 12 Uhr auf der Bank sitzen wird. Am 7. Juli verbringt Sozialreferentin Hülya Düber zwischen 9 und 11 Uhr zwei Morgenstunden auf der Bank. Am 8. Juli ist Würzburgs Kommunalreferent Wolfgang Kleiner zwischen 11 und 12 Uhr auf der Bank ansprechbar. Zu diesen drei Terminen wird die Bank auf der Alten Mainbrücke stehen. Danach lädt sie durchschnittlich einmal im Monat irgendwo in der Stadt dazu ein, sich auf ihr nieder- und sich gleichzeitig auf ein Gespräch einzulassen.

 

 

 

 
Viele Menschen wünschen sich, mal kurz mit jemanden zu plaudern. Oder auch einem Menschen, den sie nicht kennen, etwas anzuvertrauen, womit sie ihre Angehörigen nicht behelligen wollen. „Im vergangenen Jahr begegnete ich wiederholt einem Mann, der sich mehrmals zu mir setzte, wenn er sah, dass ich mit der Bank unterwegs war“, erzählt Anne Walz. Manchmal plauderte sie mit ihm. Manchmal saßen die beiden nur entspannt nebeneinander und tranken eine Tasse Kaffee. Das tat dem Mann sichtlich gut.

 

 
Auch an zwei Flüchtlingsmädchen erinnert sich Anne Walz: „Die meinten am Ende zu mir, dass sie zum ersten Mal jemanden in Deutschland getroffen haben, der genug Zeit hatte, ihnen zuzuhören.“ Nicht zuletzt bei den Klienten der Bahnhofsmission, auf die die Bank indirekt aufmerksam machen möchte, handelt es sich in vielen Fällen um Menschen, die niemanden haben, mit denen sie sich austauschen können. „Wir wollen vor allem auch Begegnungen mit diesen Männern und Frauen ermöglichen“, sagt Helmut Fries, Vorsitzender des Fördervereins.

 

 
Die Erstauflage des Projekts, bei dem Anne Walz als Geschichtensammlerin Regie führte, erscheint auf den ersten Blick ambitionierter als das reine Aufstellen einer „Bank der Begegnung“ in den Stadtraum. Doch dieser Eindruck täuscht, erklären Helmut Fries und Anne Walz. In einer Ära, in der Zeit ein immer rareres Gut wird und in der die einzelnen Schichten der Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften, stellt es eine Herausforderung dar, zu Begegnungen über die sozialen Grenzen hinweg einzuladen. Denn nichts scheint weniger selbstverständlich.

 

 
Dabei sind Begegnungen so wichtig“, sagt Fries. Begegnungen können helfen, eine bittere Stunde besser zu überstehen. Sie führen zu neuen Erkenntnissen und nehmen das Gefühl, mit einer Sache alleine dazustehen. Fries zitiert in diesem Zusammenhang gern Martin Buber. Alles wirkliche Leben, meinte der einst, ist Begegnung.